Mittwoch, 1.6.

Chaos in überfüllten Bussen in Erivan Wir fahren morgens mit Raffi zur Eriwaner Gesundheitsbehörde. Deren Chef empfängt uns. Wir bekommen ein Dankschreiben. Anschließend versuchen wir, den Gesundheitsminister zu erreichen, der uns ja schriftlich eingeladen hat. Er ist leider unterwegs. Wir besichtigen einen Teil der Kinderrehabilitationsklinik, die von Raffis Schwiegermutter geleitet wird. Die Klinik besteht aus vielen einzelnen Gebäuden, die in einem Wald liegen. Die deutschen Adventisten haben einen Teil der Häuser errichtet und eingerichtet, und zwar sehr schön. Gegen Mittag beginnt auf dem Gelände eine Aufführung anlässlich des internationalen Tages des Kindes. Es gibt Gedichte, Musik und Volkstanz.

Wir müssen leider mittendrin gehen.Wir werden zur deutschen Botschaft gebracht und treffen dort Armen und Hrant, der uns zu Armens Wohnung fährt. Hrant fragt, ob ich für ihn auch noch eine Bibel hätte. Ich kann ihm leider nur noch ein russisches Neues Testament geben. Auch einer Anfrage der Krankenhausdirektorin konnte ich jetzt leider nicht mehr nachkommen.Nachmittags um zwei sind wir beim Bischof, diesmal pünktlich.
Wir werden in einen großen Saal geführt und nehmen in einer Stuhlreihe am Kopfende Platz, in der Mitte der Erzbischof, diesmal im Talar, links von ihm Armen und Andreas, rechts Günter und ich. Uns gegenüber setzen sich die Erziehungsberechtigten, die wir unterstützen werden. Die Kinder sind leider nicht mitgekommen. Wir bekommen, wie angekündigt einen Stapel Papier, Adressen, usw. . Unter anderem sind die Todesursachen der betroffenen Elternteile aufgeführt. Gefallene Soldaten sind nicht dabei. Es werden einige Reden gehalten: Der Bischof erklärt, wer wir sind und weshalb wir da sind, Günter fasst unser Anliegen noch einmal in ähnliche Worte, wie er es in den Familien getan hat. Jemand von den Erziehungsberechtigten bedankt sich im Namen aller. Armen übersetzt alles.
Die ganze Situation, die auch auf den Handzetteln und in der Zeitung im Bild zu finden ist, ist mir eigentlich eher unangenehm. Wenn es eine brüderliche Hilfe sein soll, dann brauche ich nicht eine offizielle Veranstaltung, in der ich den Hilfsbedürftigen von weitem gegenübersitze. Verständlicherweise legt aber die Armenische Kirche großen Wert darauf, dass alles offiziell ist und bis ins letzte Detail seine Richtigkeit hat. Die herzlichen Worte von allen Seiten haben der Atmosphäre dann auch total ihre Steifheit genommen.
Herr Zulikian kommt, zusammen mit einer weiteren Mitarbeiterin und der Geldkassette. Es werden jetzt 60 Dollar pro Kind ausgezahlt, in drei Monaten weitere 30 Dollar und in einem halben Jahr noch einmal. Es müssen jeweils drei Unterschriften geleistet werden. Für jedes Kind haben wir auch eine Tafel Schokolade da.
Hinterher sprechen wir noch einmal bei einer Tasse Kaffee mit dem Bischof. Er erklärt uns, was er mit den 80 Dollar vor hat, die von den 2000 Dollar, die er bekommen hat, noch übrig sind: letzte Woche habe ihn eine Frau um Hilfe gebeten. Er musste sie wegschicken, bat sie aber, es diese Woche  noch einmal zu versuchen, Sie soll das Geld bekommen.
 
Am späten Nachmittag sind wir im Jugendzentrum. Ein großes Gebäude, in dem uns eine Blaskapelle begrüßt. Es gibt Bilder, Wandteppiche und andere Kunstgegenstände zu sehen. Um fünf beginnt ein Konzert, das der Bischof mit einigen Worten eröffnet. Die Ansprache wird ins Englische übersetzt. Wir erfahren, dass die Armenisch Orthodoxe Kirche das Zentrum vor einem Jahr übernommen hat. Etwa 7000 Kinder und Jugendliche nehmen an den Angeboten teil. Neben handwerklichen, künstlerischen und Musik-Kursen gibt es auch Religionsunterricht. "They are taught in the Spirit of Christ." Bevor das eigentliche Konzert beginnt, wird ein Vater Unser gebetet.
Das Programm ist sehr vielseitig und auf hohem Niveau. Chormusik, Folklore, Ballett, Instrumentalsolisten. Auch der Chorleiter, der für den Neuenhauser Posaunenchor ein Weihnachtslied komponiert hat, ist dabei. Wir erleben das Programm von der Ehrentribüne aus, zusammen mit dem deutschen und dem amerikanischen  Botschafter, Nach dem Konzert gibt es noch Besichtigungsmöglichkeiten und einen kleinen Imbiss.
Wir bekommen Bilder geschenkt. Der amerikanische Botschafter verabschiedet sich mit Handschlag von uns, der Erzbischof trägt uns noch Grüße an unsere Gemeinde zu Hause auf.
 
Wir fahren los, um noch ein Rentnerehepaar zu besuchen, Es war der traurigste Besuch, den wir gemacht haben. Wir müssen hoch in den achten Stock und treffen dort einen alten Mann, der nicht mehr alleine gehen kann, und seine Frau, ebenfalls über siebzig und kaum in der Lage, ihn zu versorgen, schon deshalb, weil sie die Treppen kaum mehr schafft. Eine Tochter ist im Ausland, sonst gibt es keine Angehörigen. Die beiden sind völlig auf ihre Nachbarn angewiesen. Wir geben wieder hundert Dollar, diesmal in kleinen Scheinen. Ansonsten hatten wir nur noch eine Packung Kekse zu verschenken. Es ist bedrückend, nicht mehr tun zu können.
 

Den letzten Abend verbringt Günter bei Armen, Andreas und ich bei Raffi. Nikolai, der Kinderchirurg kommt noch zu einer Besprechung vorbei. Wir möchten ihn mit speziellem Material für seine Arbeit unterstützen, z.B. besonders feine Fäden für Operationen bei Säuglingen.
Wir bekommen Abschiedsgeschenke. Kognak, Schallplatten und Bilder. Noch einmal Fototermin. Whitney Houstons "I will always love You" läuft am Fernseher, während wir die Koffer packen. Nachts um zwei brechen wir auf zum Flughafen, wo uns Raffi, Stepan, Armen und seine Mutter, Nikolai und Hrant verabschieden.
freilaufende Pferde am Sevansee, ein ehemaliges Ausflugsziel von Erivan aus, als der Verkehr noch rollte und Benzin zu bekommen war. Heute liegt der See verlassen da, nur ein paar Bauern hüten ihr Vieh an den Ufern des Gewässers.

Wir starten im Morgengrauen. In Burgas am Schwarzen Meer wird eine Zwischenlandung zum Auftanken gemacht, weil Kerosin in Armenien zu teuer ist, wenn man es überhaupt in ausreichender Menge bekommt.
Am Vormittag erreichen wir Paris, nachts um zwölf sind wir zurück in Neuenhaus, müde und erschöpft, und froh, dass alles so gut gelaufen ist.

 

 auf Wiedersehn, Armenien 

 

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1.      überfüllte öffentliche Verkehrsmittel
2.      Landschaftspanorama am Sevansee